Ergebnisse
Aus der Stichprobe wird deutlich, dass der Lebenslauf weiterhin eine Rolle spielen wird: 79 % stimmen der Aussage zu. Trotzdem glaubt etwas mehr als die Hälfte, dass das Recruiting in Zukunft weniger formalisiert ablaufen und sich stärker auf vorhandene Profile auf B2B-Plattformen wie LinkedIn stützen wird.
63 % sehen eine zunehmende Bedeutung von Active Sourcing aufgrund der Ermüdung von Kandidat*innen durch eine unpersönliche Ansprache.
Was die Frage nach dem zukünftigen Technologieeinsatz angeht, sehen 63 % in Zukunft einen stärker automatisierten Recruiting-Prozess. So sehen auch 58 % einen Anstieg des KI-Einsatzes als unvermeidlich an. Dennoch glauben 66 %, dass KI-Lösungen nie alle Verzerrungen der Algorithmen eliminieren können.
Die Hälfte der HR-Fachleute glaubt, dass “Talent Communities” im Umfeld des Unternehmens zukünftig eine wichtige Rolle spielen werden. Damit liegt ein noch stärkerer Fokus auf Inbound-Recruiting. Ob das Outbound-Recruiting an Bedeutung verlieren wird, wird aus der Stichprobe nicht ersichtlich.
79 % sehen Recruiting jetzt und in Zukunft als Schlüsselfaktor für den Unternehmenserfolg. Auch wenn insgesamt 53 % der Befragten Richtlinien für mehr Diversität als wichtiges Unterscheidungsmerkmal sehen, stimmen dem knapp ein Drittel nicht zu. Rund 20 % haben zu der Frage keine Position bezogen.
Software und KI-Lösungen sind aus dem Recruiting-Prozess nicht mehr wegzudenken. Aber es gilt, die technischen Möglichkeiten richtig einzuschätzen. Sie sind nur Hilfsmittel und ersetzen die eigene Expertise nicht.
Recruiter*innen sollten sich bewusst sein, dass sie auch ohne KI nicht frei von Vorurteilen sind – in Bezug auf Geschlecht, Herkunft und weitere Merkmale. Diese Biases können ihre Einstellungserfolge beeinträchtigen. Studien zeigen einerseits, dass Frauen ein anderes Bewerbungsverhalten haben als Männer. Sie bewerben sich häufig erst, wenn sie mindestens 80 Prozent der Anforderungen erfüllen. Hier können One-Click- oder Matching-Lösungen, die Hemmschwelle umgehen.
Andererseits werden Frauen oft eher als Männer für Positionen eingestellt, für die sie überqualifiziert sind. Das bremst nicht nur ihre Karriere aus, sondern ist auch ein Problem für Arbeitgeber: Beschäftigte bleiben unter ihren Möglichkeiten. Technik kann helfen, die vorhandenen Kompetenzen in den Fokus zu rücken. Dennoch gilt es, KI-Lösungen nicht blind zu vertrauen, sondern sie laufend kritisch auf Schwachstellen zu prüfen.
„Technik allein wird in Zukunft aber nicht mehr genügen, um bei Kandidat*innen zu punkten. Neben einer guten Unternehmenskultur kommt es im Employer Branding zunehmend auf einen gelebten Purpose und die Nachhaltigkeit von Unternehmen an.”
Natascha Hoffner
Gründerin und Geschäftsführerin messe.rocks GmbH

Technik allein wird in Zukunft aber nicht mehr genügen, um bei Kandidat*innen zu punkten. Neben einer guten Unternehmenskultur kommt es im Employer Branding zunehmend auf einen gelebten Purpose und die Nachhaltigkeit von Unternehmen an. Für eine möglichst passgenaue Vermittlung sind Kandidat*innen bereit, einiges von sich preiszugeben. Sie schätzen es, wenn sie Jobs vorgestellt bekommen, die mit ihren persönlichen Werten und Soft Skills „matchen“. Unternehmen können mit authentischen Einblicken in ihr Unternehmen punkten und so aus einer Flut von Angeboten hervorstechen.
Da immer mehr Recruiter*innen Active Sourcing betreiben, werden Kandidat*innen auf allen möglichen Kanälen angesprochen. Sie prüfen inzwischen bei sozialen Netzwerken und anderen Plattformen sehr genau, welche Mehrwerte sie ihnen über eine reine Jobansprache hinaus bieten.
Das sollten auch Arbeitgeber auf dem Schirm haben: Wenn sie mehr darauf hören, wie Kandidat*innen gefunden und angesprochen werden möchten, vermeiden sie möglichen Überdruss. Hier kommt auch Netzwerken und persönlichen Kennenlern-Möglichkeiten künftig noch größere Bedeutung zu – für Empfehlungen und zum Vertrauensaufbau
Wie können die Ergebnisse eingeordnet werden? Eine Interpretation.
Eine Zukunft ohne Lebenslauf scheinen sich HR-Fachleute nicht vorstellen zu können. Das leuchtet zunächst ein, stellt dieser doch die Summe der bisherigen Qualifikationen und Erfahrungen dar. Dennoch bleibt zu sagen, dass für Kandidat*innen die Erstellung eines Lebenslaufs, inklusive entsprechender Formatierung und Aktualisierung, eine Hürde darstellt. Positiv ist, dass sich mehr als die Hälfte offen dafür zeigen, stärker auf LinkedIn und Co. für niedrigschwellige Bewerbungsprozesse zu setzen.
Neben den hier gezeigten Ergebnissen verdeutlichen auch Trends wie One-Klick-Bewerbungen, aber auch das Ergebnis der Umfrage, dass Kandidat*innen Bewerbungsprozesse bei zu vielen Schritten abbrechen, zeigen:
Die Recruiting-Experience ist der Schlüssel. Diese sollte für Kandidat*innen so unkompliziert wie möglich ausfallen. Wiederholtes Eintragen von Daten sowie unnötig lange und intransparente Prozesse sind da eher abträglich.

“Unternehmen sollten sich daher langfristig darauf einstellen, dass die Beschäftigten erheblichen Einfluss auf die Rahmenbedingungen ihrer Arbeitsplätze nehmen werden.”
Femke Huijbers
Director of People & Culture bei Recruitee

Auffallend ist, dass ein Teil zunehmende Schwierigkeiten beim Outbound-Recruiting sieht. In früheren Zeiten, als die allermeisten Unternehmen lediglich Stellenanzeigen schalteten und auf Antworten hofften, war es noch leichter, sich z. B. durch Active Sourcing abzuheben. Jetzt aber, da wesentlich mehr Unternehmen auf Maßnahmen, wie die direkte Ansprache setzen, sind die Ansprüche höher. Um die direkte Ansprache zu vereinfachen und Antwortzeiten zu verkürzen, können wiederum entsprechende Softwares helfen – zur Erinnerung: Nur etwa 54 % nutzen überhaupt Software im Recruiting.
Eine Idee, die auch die Befragten unterstützen, sind Talent Communities. Diese werden im Umfeld des Unternehmens aufgebaut. Daneben deuteten auch einige Antworten aus dieser Studie – etwa nach den Recruiting-Geheimtipps – in diese Richtung. Es kristallisiert sich demnach heraus, dass ein Unternehmen mit einem guten Ruf und ansprechender Selbstdarstellung aus der Masse hervorstechen wird.
Dazu gehört sicherlich auch eine Unternehmenskultur mit modernen und zukunftsgewandten Werten – etwa Diversität, Gleichheit und Inklusion. Kandidat*innen erwarten eine faire Behandlung und dass ihr Unternehmen mit ihren Werten übereinstimmt. Entscheidend ist, dass die Werte nicht nur in der Selbstdarstellung vorangestellt werden, sondern diese auch zu leben. Das beinhaltet auch eine faire und kompetitive Entlohnung, neben allen Benefits.
Mit Blick auf die technologische Zukunft erwartet die Mehrheit eine Zunahme von KI-basierten Systemen. Gleichzeitig besitzen viele eine gesunde Skepsis gegenüber der Technologie. Projiziert man den bisherigen Entwicklungsstand auf die Zukunft, bleiben objektive Systeme, die vollkommen selbständig Entscheidungen treffen, unrealistisch. Unsere gesellschaftlich inhärente Bias werden sich stets auch in den für die Modelle genutzten Daten und den Urheber*innen, z. B. den Menschen, die an diesen Lösungen arbeiten und somit auch in den Lösungen selbst, wiederfinden. An dieser Stelle sei HR-Fachleute geraten, vor der Einführung entsprechender Lösungen klar festzulegen, wo die Grenzen für den Einsatz dieser Systeme liegen. Empfehlungen für den Umgang mit KI-Systemen im Personalwesen bietet z. B. der HR-Ethik-Beirat.
HR-Fachleute und Kandidat*innen sprechen laut der Umfrage keine allzu unterschiedliche Sprache. Doch Personaler*innen sollten stärker zuhören, welche Kanäle Kandidat*innen nutzen und welche Trends sie bewegen. An vielen Stellen lassen sich in den Ergebnissen starke Beharrungskräfte erkennen. Doch schon immer galt, wer ausgetretene Pfade verlässt, kann auf neue, unentdeckte Talentpools stoßen und sein Unternehmen voranbringen. Die große Herausforderung scheint es zu sein, im hektischen Geschäftsalltag die nötigen Freiräume zum Experimentieren zu schaffen. Personaler*innen sollten sich fragen, wo schafft ihre Arbeit Mehrwert (z. B. im persönlichen Austausch) und wo lässt sich Fleißarbeit reduzieren (z. B. Terminvereinbarungen, Antwortschreiben, Statusauskünfte).